Von Globulisierungsgegnern (und -anhängern und warum diese ihrer Disziplin oft einen Bärendienst erweisen)

Nach ca. 1 1/2 Jahren Entwicklungszeit habe ich diese Woche mit einiger Genugtuung die erste Vorversion meiner Homöopathie-Software namens OOREP online gestellt für jedermann benutzbar im sog. World Wide Web. Wer sich dafür interessiert, kann und sollte sich auf der Seite ein wenig umsehen und ggf. im FAQ einlesen, wenn er oder sie Hilfe benötigt. Ich bin darüber hinaus unglaublich gespannt auf Feedback von der Community und besonders von geübten Homöopathen, die das Gebiet besser übersehen, als ich geneigter Laie es tue.

Leider denken die Leute heute ja, dass wenn man Homöopathieanhänger ist, man automatisch auch an Astrologie und Chemtrails glaubt und Angst vor 5G hat und wird mit allerhand wissenschaftlich anmutender Gegenargumente konfrontiert, auch wenn das Gegenüber ansonsten selbst keinerlei wissenschaftlichen Hintergrund vorweisen kann. Am häufigsten zu hören ist der Einwurf, dass ab einer Verdünnungspotenz von ca. C12 ja in den Globuli keinerlei Spuren der Ursubstanz mehr nachweisbar sind (sog. Avogadrogrenze). Und wo nichts ist, kann schließlich auch nichts wirken. Oder, ähnlich gelagert, dass ja im Wasser, welches zur Potenzierung verwendet wird, auch noch andere Stoffe neben der Ursubstanz mitverdünnt werden, die dann genauso wirken müssten, es aber scheinbar nicht tun und so weiter und so fort.

Ärgerlich für mich in diesem Zusammenhang ist, dass viele Homöopathieanhänger über dieses Stöckchen springen, das die Globulisierungsgegner ihnen damit vor die Füße halten. Sprich: sie lassen sich auf deren Gegenargumente ein - selbst wenn sie erfahrene Homöopathen sind - und versuchen die Gegenargumente zu entkräften bzw. physikalische Zusammenhänge zugunsten der Wirksamkeit von Homöopathie zu zitieren. Dabei geht es dann häufig um Quantenphysik, Schwingungen, Energieübertragung und Experimente, die das Gedächtnis von Wasser bestätigt haben wollen.

Ich bin kein Physiker und auch nicht der liebe Gott. Ich weiß nicht, ob Wasser Gedächtnis hat oder ob Globuli schwingen. Es ist mir, zumindest was diese Diskussion angeht, auch ziemlich egal, weil es darauf nicht ankommt. Worauf es ankommt, ist einzig, dass Homöopathie wirkt. Und nur weil man das nach aktuellen naturwissenschaftlichen Maßstäben nicht erklären kann, heißt es eben nicht, dass die Homöopathie nicht trotzdem funktionieren kann.

Ich halte es für geradezu unwissenschaftlich über ca. 200 Jahre gesammelte Indizienbeweise für die Wirksamkeit von Homöopathie, erbracht von hunderten von Ärzten aus aller Welt, die z.T. unabhängig voneinander die selben oder zumindest ähnliche Phänomene und Zusammenhänge ob der Wirksamkeit homöopathischer Mittel zu Papier gebracht haben, mit dem Argument der angeblichen Unwissenschaftlichkeit einfach vom Tisch zu fegen. Zu den frühen Berichten gehören z.B. Samuel Hahnemanns Erfolge angesichts eines Ausbruchs von Typhus 1813 in Leipzig während der Völkerschlacht. Unter seiner Behandlung sind laut Berichten fast alle der 180 verwundeten und von ihm behandelten Soldaten von dieser Krankheit befreit worden, woraufhin er auch noch Jahre später von anderen Heeresoberen weiterhin als Arzt konsultiert wurde. Es ist zugegeben nur eine Anekdote. Sie alleine hätte keinerlei Gewicht, wären da nicht zudem tausende Arzneimittelprüfungen alleine der großen Homöopathen Kent, Hering, Boericke, Boenninghausen, usw., die diese wiederum auf abertausenden von Seiten Materia Medicas und Repertorien festgehalten haben (von den modernen will ich gar nicht erst anfangen). Diesen Fundus einfach mal eben so pauschal als Unsinn zu verwerfen passt vielleicht zu denen, die von sich gerne behaupten “I fucking love science”, scheint mir an sich jedoch ein geradezu unwissenschaftlicher Akt zu sein.

Aber das ist zugegebenermaßen auch nur meine Meinung. Nach objektiven Maßstäben feststellen kann man jedoch, dass beispielsweise auch nie wissenschaftlich bewiesen wurde, dass Aspirin eine bestimmte Wirkung entfaltet oder dass Vitamin C förderlich für das Immunsystem ist. Was vielen der Globulisierungsgegner nicht bewusst ist, ganz einfach weil sie selbst keine Wissenschaftler sind und sich auch nie tiefer mit Wissenschafts- bzw. Erkenntnistheorie auseinandergesetzt haben, ist, dass man in Experimentalwissenschaften zwar Indizien für eine bestimmte Hypothese oder Modellvorstellung erbringen kann, jedoch zu keinem Zeitpunkt wissen kann, ob nicht irgendwann in der Zukunft man es noch genauer wissen wird, noch genauere Modelle der Wirklichkeit ersinnen wird. Nimmt man seinen (Karl) Popper wörtlich, so sollte man in diesen Disziplinen sogar ausschließlich Falsifizieren, um dann eine widerlegte Hypothese eben durch eine bessere ersetzen zu können. (Doch welcher Wissenschaftler will dadurch Karriere machen, dass er versucht, die Hyopthese, durch die er vllt. gerade Bekanntheit erlangt hat, gleich wieder zu zerlegen? Aber das ist ein anderes Thema…) In der Mathematik ist das freilich anders: dort gibt es tatsächlich - und anders als beim Aspirin oder Vitamin C - Beweise jeweils in Bezug auf ein Axiomensystem, und Theoreme sind dann tatsächlich solche für alle Ewigkeit. So funktioniert, grob und kurz gesagt, der Erkenntnisgewinn in den Wissenschaften (Geisteswissenschaften einmal außen vor; deren Stand ist diesbezgl. häufig noch schwächer).

D.h. aber eben auch, dass man auf diese Weise nicht die Nichtwirksamkeit von Homöopathie beweisen könnte.

Und schließlich wenn man die öffentliche Debatte zum Thema verfolgt, so drängt sich einem der Verdacht auf, dass sie aus Sicht der Homöopathieanhänger bereits verloren ist oder zumindest nicht mehr gewonnen werden kann - egal wie hoch die vielzitierten angeblichen Milliardengewinne der Homöopathieindustrie sind, die beim Beobachter letztlich nicht für die Homöopathie sprechen, sondern zeigen sollen, dass das alles nur reine Geschäftemacher und krumme Hunde sind, denn nur solche haben schließlich Gewinnabsichten. Gefordert wird nicht weniger als allgemeine Verbote von Homöopathie, was mich schon alleine deshalb wundert, weil man sich bis gerade eben noch dafür rechtfertigen musste, dass das doch nur Wasser sei. Die Gefahren, die Homöopathie birgt, sind dann angeblich darin begründet, dass Patienten statt Chemotherapie oder Tetanusimpfung lieber Globuli schlucken. Klar, solche mag es geben genauso wie die, die aus Versehen an einem Cocktail aus Schmerztabletten und anderen Medikamenten sterben, oder denen, die glauben, Ihr Jungbrunnen sei das abendliche Glas Whisky vorm Schlafengehen. Doch die Quintessenz kann nicht sein, alles zu verbieten, was eine kleine Minderheit tut oder ihr wiederfährt. Ich erwarte, dass ich in einer Gesellschaft, die ihre scheinbare Aufgeklärtheit so sehr betont, die Freiheit besitze, Homöopathika nehmen zu können, wenn ich es für angemessen und richtig halte und vor allem niemand anderen damit gefährde oder gar schade. In meinem konkreten Fall zahlt es auch nicht die Krankenkasse und müssen auch keine Kinder in Kobaltminen dafür arbeiten. Und im Zweifel habe ich halt mein verdientes und versteuertes Einkommen für Zuckerwaser ausgegeben. Das ist mein gutes Recht und sollte es auch bleiben.

Protest von Globulisierungsgegnern (Quelle: Andreas Schwarzkopf auf Wikipedia, CC-Lizenz)

In so fern - und jetzt schließt sich der Kreis - erweisen Homöopathieanhänger ihrer Disziplin gewissermaßen einen Bärendienst, wenn sie sich auf das pseudowissenschaftliche Glatteis der Gegenseite begeben. Eine unsubstantiierte Replik mit Hilfe von Quantenphysik, Schwingungen und Wassergedächtnis lässt die Homöopathieanhänger lediglich ungebildet erscheinen und bestärkt die Gegner höchstens noch in ihrem Vorhaben. Zielführender erscheint es mir, im Zweifel auf Erklärungsversuche pro Homöopathie zu verzichten und stattdessen einfach zu akzeptieren, dass sie wirkt. (Auch wenn Vergleiche immer etwas hinken: Gefühle wie Angst oder Liebe kann ich auch nicht sichtbar unterm Elektronenmikroskop machen und auch niemandem erklären, der sie nicht selbst schon mal erlebt hat; und die Frage ist auch, was es brächte.) Abstrakte Konzepte wie energetische Schwingungen beispielsweise können u.U. hilfreich für Homöopathen als Arbeitswerkzeug sein, z.B. um beobachtete Mittelwechselwirkungen bei ähnlichen Potenzen zu vermeiden o.ä. Sie mögen dahingehend nützliche, einfache Modelle sein, sind jedoch i.A. nicht mit Naturwissenschaft zu verwechseln. In diesem Sinne: der Homöopath genießt und schweigt. Dieser Artikel anlässlich der Veröffentlichung meiner Software soll diesbezgl. meine Ausnahme gewesen sein.